DIE GEISTER, DIE ICH RIEF

16. März 2013

Bei der aktuellen Diskussion rund um Googles touristische Aktivitäten sowie die zentrale Stellung der großen Hotelportale stellt sich für mich zunehmend die Frage, welche Rolle die Hotels selbst in diesem Beziehungsgeflecht spielen und welche Strategien raus aus dem bestehenden Dilemma führen könnten.

Am 8. März ist also der Google Hotelfinder erwartungsgemäß direkt in die Google SERPs integriert worden. Über die Hintergründe sowie mögliche Auswirkungen ist bereits an anderer Stelle ausreichend berichtet worden.

Fakt ist, dass damit die Gemengelage für Hotels im Vertrieb noch schwieriger wird und sie sich zunehmend im Schraubstock zwischen Google und den Hotelportalen befinden. Beide sind für den Vertrieb der meisten Beherbergungsbetriebe mittlerweile essentielle Partner. Wie stark die Auswirkungen dieser Abhängigkeiten sein können, hat eindrucksvoll die Entwicklung bei Google Places / Google+ Local gezeigt:

  • 2010 - kurzfristig markanter Anstieg des Onlinedirektvertriebes der Hotellerie durch die prominente Listung in Google Places (Google wollte Hoteldaten sammeln).
  • 2011 - deutliche Umverlagerung des Traffics zu Gunsten der Hotelportale durch Hinzunahme der tagesaktuellen Preise mit direkter Verlinkung zu den Hotelportalen (TravelAds). Die vorher exklusive Stellung der Hotels wurde aufgelöst.

Spannend ist hier ein Vergleich der Zahlen der IHA Hotelmarktstudien 2011 und 2012 für den Buchungsanteil über die Hotelwebsites, die (unabhängig von gleichzeitig vorgenommenen konzeptionellen Veränderungen der Erhebung) auf einen drastischen Einbruch schließen lassen.

Stellvertretend für viele Hotels hat Olaf Stehr vom Kartoffelhotel Lüneburger Heide in diesem Zusammenhang im September 2012 einen sehr schönen Post verfasst und damit wohl vielen Kollegen aus der Seele gesprochen.

Und nun also auch noch der Hotelfinder, der mit Kosten von 0,2% pro Klick hohe Anforderungen an die Konversion der angeschlossenen Portale stellt: Bei angenommenen 10% Vermittlungsprovision benötige ich eine Konversion von mindestens 2%, um nicht drauf zu legen. Somit also mindestens 1 Buchung aus 50 Klicks.


Werden die Hotelportale langsam nervös?

Da ist es wenig überraschend, wenn die Hotelportale die Provisionen anziehen, denn irgendwer muss den Gatekeeper Google ja für seine Services (Hotelfinder, TravelAds, AdWords) zahlen und am Ende soll ja auch noch ein wenig Ertrag übrig bleiben. Und wehe, wenn der Hotelfinder aus seinen Kinderschuhen herausgewachsen ist und wirklich Ernst macht… Böse Zungen behaupten, dann werden auch hier die CPC schnell steigen - mit entsprechenden Auswirkungen auf Konversionszwänge und Provisionshöhe der Portale.


Hotels zwischen Ratlosigkeit und Aktionismus?

Ich revidiere mein Bild von der Schraubzwinge - Google ist der Queue, Hotelportale die weiße Kugel und die Hotels machen gute Miene zum bösen Spiel. Oder? Womit wir wieder beim Thema wären: Bei allem Verständnis für die Unabänderlichkeit bestimmter Zwänge, so ganz unschuldig sind die Hotels an dieser Situation nicht. Genauso wenig wie HRS die Schuld an dem im europäischen Vergleich (viel zu) niedrigen deutschen Hotelpreisniveau trägt, ist Google ein böser Usurpator, der die Alleinherrschaft über alle touristischen Reusen anstrebt.

Beide haben nur konsequent mit bestehenden Marktmechanismen gespielt und wurden von den Hotels (zunächst) mit offenen Armen empfangen. Gleichzeitig hat es die Hotellerie weitgehend verpasst, die Konsequenzen frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern. Statt sich auf die eigene Individualität und Qualität zu fokussieren, hat sich die Mehrheit der Hotels auf den ruinösen Preiskampf und das desaströse höher-schneller-weiter unserer Tage eingelassen.

Hoteldeals sind hier der vorläufige und traurige Höhepunkt in einer selbstzerstörerischen Entwicklung. Gleichzeitig steht die Budgethotellerie bereits in den Startlöchern, um bald auch in Deutschland französische Verhältnisse zu schaffen.


Wo sind die Hotel-Gallier, die sich gegen Googlius Cäsar und die ADS-Legionen wehren?

Zum Glück gibt es sie noch, die Mutigen und die Visionäre. Zum Beispiel Scandic Hotels, die mit ihrer Save-Rate konsequent den besten Preis auf der eigenen Website anbieten und dafür auch Sanktionen der großen Drei (HRS, Booking, Expedia) in Kauf nehmen.

Oder das Familienhotel Cavallino Bianco, das immer noch nicht bei Booking und Co buchbar ist und den Ruhm bei Google (fast) ganz für sich allein erntet. Oder das Wellnesshotel Dein Engel, das konsequent in seine Online-Strategie investiert und mit innovativen Hotelpauschalen und Zimmerangeboten eine klare Positionierung über Individualität und Qualität anstrebt.

Ich hoffe sehr, wir werden in den nächsten Monaten noch viele solcher Beispiele sehen...

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